Alltagsrisiken: Internationale Studie zeigt geringe Risikokompetenz in der Bevölkerung

IR
15.09.2023
Sonstige

Gallup International hat im Auftrag der Vienna Insurance Group (VIG) die Risikokompetenz in neun Ländern Zentral- und Osteuropas (CEE) untersucht. Die repräsentative Studie zeigt dabei deutliche Defizite sowie weit verbreitete Trugschlüsse hinsichtlich der finanziellen Absicherung durch staatliche bzw. gesellschaftliche Institutionen.

  • Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind sich der abgefragten Risiken in den Bereichen Gesundheit, Beruf, Wohnen, Haftung und Cyber wenig bis gar nicht bewusst
  • 7 von 10 Befragten glauben nicht an den Eintritt dieser Risiken, obwohl der potenzielle Schaden gleichzeitig als hoch eingeschätzt wird
  • Rund zwei Drittel nehmen an, dass die öffentliche Hand beim Eintritt von Gesundheitsrisiken und Berufsunfähigkeit einspringt, sogar bei Schäden am Wohnobjekt sind es 60 %
Risikokompetenz als soziales Nachhaltigkeitsengagement
Für die im Juni und Juli 2023 durchgeführte repräsentative Studie wurden insgesamt 9.000 Personen ab 18 Jahren in ausgewählten Kernmärkten der Vienna Insurance Group befragt: Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn. Im Fokus standen die Wahrnehmung der häufigsten Risiken im Alltag, deren Eintrittswahrscheinlichkeit, mögliche Auswirkungen sowie dazu getroffene Maßnahmen. Die Marktstudie bildet die Grundlage für zielgerichtete Aktivitäten der VIG, um die Risikokompetenz in der CEE-Region zu steigern und damit sozial nachhaltig zu agieren. 
Fotos vom Vorstand der VIG
Menschen schützen sich nur dann vor Risiken, wenn sie ein Bewusstsein für Themen wie Vorsorge und Risikoabsicherung haben. Im Rahmen unseres VIG 25 Nachhaltigkeitsprogramms haben wir die Steigerung der Risikokompetenz als einen wesentlichen Schwerpunkt unserer sozialen Nachhaltigkeitsziele definiert. Zusammen mit unseren Gesellschaften wollen wir in den kommenden Jahren dazu beitragen, diese Kompetenz zu stärken.
Hartwig Löger CEO Vienna Insurance Group
Auf Basis des Geschäftsmodells definiert das gruppenweit beschlossene VIG 25 Nachhaltigkeitsprogramm sechs Wirkungsfelder. Drei davon (Veranlagung, Versichern und Bürobetrieb) orientieren sich an Schwerpunkten für die Umwelt, drei davon (Mitarbeiter:innen, Kund:innen und Gesellschaft) widmen sich sozialen Themen. Mit ihrem Engagement zur Steigerung der Risikokompetenz greift die VIG-Gruppe wichtige soziale Fragestellungen auf, zu denen es bisher kaum validierte Erkenntnisse gab. Die VIG hat mit dem neuen Nachhaltigkeitsprogramm zudem ihre seit Mai 2019 gruppenweit gültige Klimawandelstrategie überarbeitet und durch zwei neue Deklarationen, „Verantwortungsvoll investieren“ und „Verantwortungsvoll versichern“ ersetzt. 

Erheblicher Nachholbedarf bei Risikokompetenz
Der Fokus der Studie* lag auf folgenden Schwerpunkten: den Risiken, schwer zu erkranken, die Arbeitskraft zu verlieren, im Wohnbereich, der Haftung bei selbstverschuldeten Unfällen sowie Internetbetrug. Abgefragt wurden auch die bei Risikoeintritt potenziell zu erwartenden Kosten sowie getroffene Maßnahmen, um diese Risiken selbst zu managen bzw. die daraus resultierenden Schäden zu begrenzen. 

Unter Risikokompetenz wird allgemein die Fähigkeit verstanden, informiert und reflektiert vernünftige Entscheidungen im Umgang mit Risiken zu treffen. Die Ergebnisse zeigen einen erheblichen Bedarf nach einer Steigerung dieser Kompetenz in allen untersuchten Ländern. Die Mehrheit hat sich bisher nicht ernsthaft mit den wesentlichen Risiken des modernen Lebens auseinandergesetzt. Und das, obwohl die potenziellen finanziellen Schäden als beträchtlich eingeschätzt werden“, fasst Michael Nitsche, Vizepräsident von Gallup International die wesentlichen Erkenntnisse zusammen. 

Die Vorsicht überwiegt
Prävention ist laut der repräsentativen Studie die am häufigsten getroffene Maßnahme zur Abdeckung potenzieller Risiken, frei nach dem Motto: „Ich passe auf, dann passiert mir das erst gar nicht.“ Jeweils ein Drittel der Befragten gibt an, eine Versicherung für Gesundheitsrisiken, Berufsunfähigkeit und persönliche Haftungsrisiken zu haben. Im Wohnbereich haben im Schnitt 45 % der Bevölkerung eine Versicherung. Zwischen 20 und 30 % haben eigene Rücklagen als Vorsorge für diese Risiken gebildet und gehen offensichtlich davon aus, dass das ausreichend sei. Jede/r Fünfte hat überhaupt keine Maßnahmen getroffen, was unter anderem auf die damit verbundenen Kosten bzw. Verdrängung zurückzuführen ist.

Der Ruf nach dem Staat
Auffällig ist, dass ein Großteil der Befragten davon ausgeht, dass Schäden zumindest teilweise vom Staat bzw. der Gesellschaft getragen werden. So nehmen zwei Drittel der Befragten an, dass die öffentliche Hand beim Eintritt von Gesundheitsrisiken und Berufsunfähigkeit einspringt; bei Schäden im Wohnobjekt sind knapp 60 % dieser Meinung. Rund 40 % glauben, dass dies sogar für Schäden aus Internetbetrug zutrifft und fast die Hälfte meint, dass auch persönliche Haftungen durch den Staat übernommen werden. Mit der Höhe des zu erwartenden Schadens steigt die Erwartungshaltung an eine Übernahme der Kosten durch Staat oder Gesellschaft: Rund 90 % wünschen sich, dass Kosten aus Gesundheitsrisiken und dem Verlust der Arbeitskraft und 80 %, dass Schäden im Wohnbereich von der Allgemeinheit übernommen werden. Deutlich mehr als die Hälfte ist der Ansicht, dass dies auch für die Kosten aus Internetbetrug und persönlichen Haftungen gelten sollte. 

Mehr Beratung erwünscht
Einem erheblichen Teil der Befragten dürften die eigenen Wissensdefizite zum Thema Risiko dennoch bewusst sein. Mehr als jeder/jede Zweite wünscht sich mehr Informationen und Beratung von kompetenten Stellen. Etwa ebenso viele wären grundsätzlich bereit, einen finanziellen Beitrag zu leisten, um sich gegen Schäden selbst zu schützen. „Wir sehen es in unserer Verantwortung, diesem Wunsch nach Information und Beratung auch unabhängig vom Verkaufsinteresse nachzukommen und Aufklärungsarbeit zu leisten“, so Hartwig Löger. 

Vier Risikotypologien
In der Studie wurde anhand sozio-demografischer und psychologischer Merkmale eine Risiko-Verhaltens-Typologie entwickelt, die vier Risikotypen unterscheidet: Verdränger, Unsichere, Rationale und Hochängstliche.
 
  • Der höchste Anteil entfällt mit 33 % auf die Verdränger, die glauben, immer alles fest im Griff zu haben. Sie unterdrücken belastende Emotionen und vermeiden stressauslösende Situationen konsequent. Grundsätzlich haben sie Verständnis für Finanzen, sind aber aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht oder schwer auf dieser Ebene ansprechbar. 
  • 28 % sind den Unsicheren zuzuordnen. Sie beschäftigen sich oft zwanghaft mit unangenehmen Emotionen und versuchen, ihre Risiken unter Kontrolle zu halten. Unsichere verfügen damit über ein sehr hohes Risikobewusstsein, es mangelt ihnen jedoch an Kompetenz, wie damit finanziell umzugehen ist. Ihre Risiko-Bewältigungsstrategien sind daher nur punktuell effektiv. 
  • 7 % Rationale: Sie sind gelassen und davon überzeugt, ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können und suchen aktiv nach Problemlösungen. Auch wenn sie ein nur schwach ausgeprägtes Risikobewusstsein haben und eher bereit sind, Risiken einzugehen, sind ihre Bewältigungsstrategien durchaus effektiv, auch, weil sie über solide Kenntnisse in finanziellen Belangen verfügen.
  • Den geringsten Anteil weisen mit 12 % die Hochängstlichen auf. Sie neigen zu Überreaktionen, reagieren oft impulsiv, haben zwar mehr Risikobewusstsein als der Durchschnitt, Ihre Bewältigungsstrategien sind aber wenig effektiv. 
Diese Unterschiede in den Risikotypologien sind bei Aktivitäten zur Steigerung der Risikokompetenz jedenfalls zu berücksichtigen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass 7 von 10 Befragten aufgrund dieser mangelnden Kompetenz und psychischer Barrieren nicht in der Lage sind, sinnvoll mit Risiken umzugehen.

Mangelnde Risikokompetenz korreliert mit fehlendem Finanzwissen
Die Ergebnisse rund um das mangelnde Risikobewusstsein lässt auch Parallelen zum derzeit intensiv diskutierten Thema des fehlenden Finanzwissens ziehen: Laut der Studie verfügen 80 % der 18- bis 29-Jährigen sowie 70 % der über 30-Jährigen über nur niedriges oder mittleres Finanzwissen. Die Untersuchung belegt damit auch hier den Bildungs- und Informationsbedarf. 
Zu beiden Themen sehen wir einen wichtigen Auftrag für das Bildungssystem. In den Schulen wird weder Finanzwissen noch Risikokompetenz gelehrt. Wichtig wäre, dass Bildungseinrichtungen und Finanzdienstleistungspartner ihre jeweiligen Kompetenzen bündeln und zusammen aktiv werden. Als VIG-Gruppe werden wir jedenfalls Initiativen zur Erhöhung der Risikokompetenz in der Bevölkerung setzen - ein für uns zentraler sozialer Nachhaltigkeitsschwerpunkt", so Hartwig Löger. 

*Um zu gewährleisten, dass alle relevanten Bevölkerungsgruppen in der repräsentativen Stichprobe enthalten sind, wurde für die Erhebung ein sogenannter Mixed-Mode Ansatz gewählt, bei dem Online-Interviews mit Telefoninterviews kombiniert wurden. 
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